Judith und das liebe Vieh by Reinhard Judith; Prasske Bruni

Autor:Reinhard, Judith; Prasske, Bruni [Reinhard, Judith; Prasske, Bruni]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-GVH Religion und Gesellschaft
veröffentlicht: 2017-03-21T23:00:00+00:00

11 DIE DICKE LAHMT

* * *

Schon von Weitem sah ich, wie ungewohnt behäbig die Dicke sich bewegte. »Was hast du denn?«, sagte ich und ging ihr entgegen. Sie versuchte ihr rechtes Hinterbein zu entlasten. Eine Wunde war nicht zu sehen. Ich strich ihr mit einem langen Stock über das Fell und kratzte die Rückenpartien, ganz so wie es ihr gefiel. Das lahme Bein stand leicht angewinkelt im hohen Gras, und so entdeckte ich ihre eingerissene Klaue eher zufällig. Wie ein verwundeter Zehennagel, nur in größeren Dimensionen. Den Rest des Tages behielt ich sie im Auge. Die Dicke legte sich nun häufiger hin und konnte dann natürlich nicht grasen. Nach zwei Tagen rief ich den Tierarzt an. Doktore wusste nach diversen Nachfragen selbstverständlich Rat. Klauenpflege! Er gab mir die Nummer eines fliegenden Klauenpflegers. Und selbstverständlich erläuterte er mir auch die Wechselwirkung zwischen Klauen- und Tiergesundheit.

»Eine Kuh muss gut stehen. Das geht nur mit kurzen und gesunden Klauen. Ein schlechter Stand beeinträchtigt die Verdauung und damit auch die Nahrungsverwertung, was sich direkt auf die Milchleistung auswirkt. Das ist unter Umständen ein hoher wirtschaftlicher Schaden. Bei Mutterkühen empfehle ich eine regelmäßige Klauenpflege, in der konventionellen Landwirtschaft ohnehin. Da geht es gar nicht ohne. Aber auch auf Ihren schönen Wiesen kann es zu Problemen kommen. Die laufen sich hier ja nichts ab, da wachsen die Klauen je nach Veranlagung manchmal stärker als nötig. Und wenn eine Kuh dann mal Pech hat, reißt sie sich eine Klaue ein. Beschädigte und entzündete Klauen müssen behandelt werden, schlimmstenfalls sogar verbunden. Das ist sehr unangenehm. Lassen Sie den Klauenpfleger kommen und einen Blick drauf werfen. Der weiß, was zu tun ist. Klauenpflege darf man nicht unterschätzen«, referierte der Doktore, und ich wollte seinen Rat gern befolgen.

Der Klauenpfleger aus der Lüneburger Heide hatte in der nächsten Woche einen Termin frei, und ich wollte unbedingt dabei sein. Noch am Telefon erkundigte er sich nach den genauen Umständen.

»Galloways sind doch ganz wilde Viecher. Können Sie die denn überhaupt einfangen?«, wollte er wissen.

»Ich habe einen modernen Fangstand, an den sind meine Tiere gewöhnt. Dahin kann ich sie locken, kein Problem.«

»Denn ist ja gut. Starkstrom brauche ich auch. Und einen Wasserschlauch, der ist unbedingt notwendig. Der Wagen sieht nach der Klauenpflege immer schlimm aus. Wie viele Tiere sind das denn?«

»Eine Kuh hat Probleme, aber wenn Sie schon mal da sind, können Sie sich auch die anderen ansehen.«

»Ach so, und ich dachte schon, es geht um eine ganze Herde. Ein paar Viecher krieg ich schnell gemacht.«

Ich war ein wenig überrascht, als er mit einem PKW und einem unspektakulären Anhänger auf den Hof fuhr. Wie sollte er an die Klauen herankommen und die Tiere dann auch noch ruhig halten? Die Dicke hatte ich bereits in den Fangstand getrieben und vorsorglich die einzelnen Gatter trichterförmig aufgestellt, sodass wir sie ohne große Umstände bis an das schmale Ende treiben konnten. Unentwegt hörte sie meine Stimme und blieb ruhig. Eine vergleichbare Prozedur kannte sie von der Blutabnahme. Nun musste sie noch ein Stück weiter gehen, direkt an den Anhänger heran, der eine Feststellvorrichtung für den Kopf der Tiere hatte.

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